29.08.2013 / komba gewerkschaft nrw

komba gewerkschaft nrw warnt: Den Jobcentern droht der Super-Gau

Einführung der Software „Allegro“ ohne Personalverstärkung führt zum Stillstand der Fallbearbeitung. Sicherheitslage bleibt fragil

Köln, 29. August 2013. Die Einführung einer neuen Software in den Jobcentern könnten die ohnehin schwer belasteten  Dienststellen für die Hartz IV-Leistungen  lahmlegen. Das befürchtet die komba gewerkschaft nrw, kommunale Fachgewerkschaft im dbb beamtenbund und tarifunion (dbb). Dirk Kursim, komba Personalrat im Job-Center Bielefeld: „Den Job-Centern droht der Super Gau, wenn es für die Umstellung auf ‚Allegro‘ wie von den Arbeitgebern geplant keine Personalunterstützung geben wird“. Dabei weint er der alten Software keine Tränen nach. Sie ist seit Jahren mängelbehaftet  und hat zu hoher Arbeitsbelastung in der Leistungssachbearbeitung beigetragen. Zahlreiche Lang- und Kurzzeiterkrankungen der Kolleginnen und Kollegen waren die Folge.

Ursula Winkler, erste Vorsitzende des Personalrates Jobcenter der StädteRegion Aachen und Vorsitzende des komba Arbeitskreises Job-Center vertritt dieselbe Auffassung: „Nach meinem bisherigen Kenntnisstand ist eine  Datenmigration aus A2LL und der daraus folgenden manuellen Erfassung in Allegro nicht machbar“. Die Beschäftigten seien ohnehin aufgrund eines nicht nachvollziehbaren Fallschlüssels bereits jetzt über Gebühr belastet. Wenn es keine Unterstützung bei der Erfassung und übergangsweisen Datenpflege in zwei Systemen geben werde, seien die negativen Folgen für die Kolleginnen und Kollegen, als auch für die Klienten der Job-Center absehbar. Eine zügige Fallbearbeitung ist damit nicht mehr möglich, eine pünktliche Auszahlung des Geldes nicht mehr garantiert.

Der Vorsitzende der komba gewerkschaft, Ulrich Silberbach, macht deutlich: „Für diese Situation, die im neuen Jahr eintreten wird, tragen alleine die Bundesanstalt für Arbeit und die kommunalen Arbeitgeber die Verantwortung. Sie lassen die Kolleginnen und Kollegen vor Ort im Stich.“ Wer eine pünktliche Fallbearbeitung sicherstellen will, muss jetzt für die Eingabe- und Startphase von Allegro die notwendigen personellen Voraussetzungen schaffen.

Ab Ende 2013 soll schrittweise die neue Leistungssoftware „Allegro“ in den Jobcentern eingeführt werden. Tausende Fälle in den gemeinsamen Einrichtungen der Jobcenter müssen erneut nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums komplett in die neue Software „Allegro“ eingegeben werden. Alleine bei jeder Bedarfsgemeinschaft dauert dies pro Fall etwa eine Stunde. Vorab müssen die Grunddaten in der zentralen Personendatenverwaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft werden, da die Grunddaten für „Allegro“ aus diesem System zur Verfügung gestellt werden.

Und als sei dieses nicht genug: „Allegro“ wird andere Ordnungsmerkmale („Bedarfsgemeinschaftsnummern“) generieren, so dass die Jobcenter, deren Zuständigkeit nach Bedarfsgemeinschaftsnummern geregelt ist, gezwungen sind, den kompletten Aktenbestand nach neuen Zuständigkeiten zu verteilen. Ein unglaublicher Arbeitsaufwand rollt auf die Beschäftigten zu. Aber:  Zusätzliches Personal für die Umstellung soll es dafür nicht geben.

Für die komba gewerkschaft ist klar: Das kann nicht geleistet werden. Erneute Langzeiterkrankungen werden die Folge sein. Die Politik ist gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit gefordert, diesem Spuk ein Ende zu bereiten.

Sicherheitslage bleibt fragil: Drohung und Beschimpfungen an der Tagesordnung – Männliche Kundschaft versucht aufzutrumpfen

Die derzeitige Lage und der Übergang zur neuen Software wird nach Einschätzung der komba gewerkschaft nrw zu zusätzlichen Konflikten zwischen den Kunden und den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern führen. Damit verweist die komba auf die fragile Sicherheitssituation in den Hartz-IV-Dienststellen.

Nach dem Mord vor einem Jahr im Job-Center Neuss, der Hammerattacke in Leipzig und zahlreichen weiteren, fast alltäglichen Zwischenfällen, diagnostiziert komba die Lage: „Es kann jederzeit wieder passieren“. Und das, obwohl nach der Katastrophe von Neuss Sicherheitspersonal eingesetzt und traumatisierte Beschäftigte unterstützt werden. Um ein höheres Maß an Sicherheit zu garantieren, so berichtete Sabine Fongern, komba Personalratsvorsitzende aus Neuss, müsste der kontrollfreie Zugang zu den Bürogebäuden verhindert werden. Das aber widerspreche der Philosophie, dass Bürgerdienste offen zugänglich sein sollten. Hammer, Messer oder andere Waffen könnten aber nur entdeckt werden, wenn – wie an Flughäfen oder in Gerichten – Sicherheitsschleusen errichtet werden. Das sei eine Option.

Die Neusser Erfahrungen decken sich mit denen anderer Job-Center. Gewaltpotential und Aggressivität sind unter den „Kunden“ der Job-Center hoch. Kritik, Ablehnung, offene Sympathie für Gewalt gegen Sachbearbeiter sind in bedrückender Größenordnung zu finden. „Muss ich erst mit dem Messer wiederkommen“, „Ich warte draußen auf dich“, „Ich komme mit einer Bombe“, „Denk an deine Kinder“ sind nur einige der Sprüche, die sich die Fallmanager anhören müssen. Es ist schwer, in diesem Klima von Pression und Aggression sachlich zu arbeiten, so die Erfahrungen der komba gewerkschaft nrw.
Vor allem männliche Kundschaft versucht, bei weiblichem Personal aufzutrumpfen. Dabei gibt es keine Differenzierungen, ob die „Kunden“ aus der mitteleuropäischen Gesellschaft oder aus anderen Kulturkreisen kommen. Sabine Fongerns Erfahrung: „Eine Einengung auf Migranten entspricht nicht der Wirklichkeit“.

Nach Einschätzung der komba gewerkschaft nrw bleiben die Job-Center eine Großbaustelle der öffentlichen Arbeitgeber. Die aber haben das offensichtlich noch nicht in vollem Umfang erkannt. In Neuss zum Beispiel waren fast alle lokalen Standorte mit je zwei Sicherheitskräften ausgestattet. Seit April wurde die Zahl halbiert. Mit dem Neubau, der im Oktober von 220 Beschäftigten bezogen werden soll, sind keine Sicherheitskräfte mehr einkalkuliert. Finanzielle Mittel fehlen. Die Proteste der Personalvertretung bleiben bisher erfolglos.

Pressemitteilung der komba gewerkschaft nrw "komba gewerkschaft nrw warnt: Den Jobcentern droht der Super-Gau" als pdf-Dokument zum Downloaden.

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