07.10.2013 / komba gewerkschaft nrw

Personalrats-Info 4/2013

Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Anspruch auf nicht genommenen Jahresurlaub bei Wechsel in Teilzeittätigkeit

Gegenstand in einem arbeitsgerichtlichen Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Ni-enburg ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem beklagten Land. Zunächst war das Vollzeitarbeitsverhältnis befristet abgeschlossen, jedoch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt worden. Danach trat bei der Klägerin eine Schwangerschaft ein. Im Anschluss an den Mutterschutz nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Nach der Elternzeit vereinbarte die Klägerin mit dem beklagten Land eine Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten. Die Klägerin konnte aufgrund der Schwangerschaft und eines damit zusammenhängenden Beschäftigungsverbotes die Urlaubstage aus ihrer Vollzeitbeschäftigung nicht in Anspruch nehmen. Durch die Änderung der Arbeitsbedingungen von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis wurde der bereits bestehende Urlaubsanspruch entsprechend dem Teilzeitarbeitsverhältnis berechnet. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde hier eine Quotierung vorgenommen, so dass sich der Urlaubsanspruch verringerte. Nach der Berechnung des Arbeitgebers standen der Klägerin nicht weiterhin 29 Tage Urlaub zu, sondern nunmehr 17 Tage Urlaub. Diese Quotierung sei nach Auffassung des beklagten Landes gerechtfertigt, weil die Klägerin hierdurch nicht schlechter gestellt werde. Sie könne auch nach der Quotierung die gleiche Anzahl von Wochen Urlaub nehmen, wie zuvor. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.04.2010 – C – 486/08 – Tirol, stelle diese Praxis nicht in Frage.

Das Arbeitsgericht Nienburg hat festgestellt, dass weder im nationalen Gesetzesrecht noch im Tarifvertrag für die Beschäftigten der Länder (TV-L), der hier anzuwenden ist, die Frage ausdrücklich geregelt ist, welche Auswirkungen sich bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes für einen noch nicht verbrauchten Anspruch auf Erholungsurlaub ergeben.

Aus diesem Grunde hat das Arbeitsgericht Nienburg die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, ob das Europäische Recht den nationalen Gepflogenheiten entgegensteht, wonach bei einer Änderung einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung eines Arbeitnehmers auch eine Änderung der Zahl der wöchentlichen Arbeitstage des noch nicht verbrauchen Erholungsurlaubs, der vom Arbeitnehmer noch nicht in Anspruch genommen werden konnte, in der Weise anzupassen ist, dass der Urlaubsanspruch auf das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis umgerechnet wird.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Beschluss vom 13.06.2013 – C 415/12 (Bianca Brandes ./. Land Niedersachsen) – festgestellt, dass diese nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten europäischem Recht entgegenstehen.

Damit hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung zur Tirol-Entscheidung vom 22.04.2010 bestätigt. Weder darf eine Anpassung des im Vollzeitarbeitsverhältnis erworbenen Anspruchs auf Urlaub bei einem Übergang in eine Teilzeitbeschäftigung erfolgen, noch darf sich hieraus ein Verbrauch des Urlaubs mit dem niedrigeren Urlaubsentgelt durch die Teilzeitbeschäftigung ergeben. Urlaubsansprüche, die vor einer Elternzeit nicht genommen werden konnten, können nicht verfallen und bei ei-ner Reduzierung der Arbeitszeit nach der Elternzeit nicht anteilig gekürzt werden.

Dieser Grundsatz gilt allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer während der Vollzeitbeschäftigung tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaubsanspruch auszuüben.

Mit dem vorliegenden Beschluss hat der Europäische Gerichtshof betont, dass es sich bei dem Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union handelt und dieser nicht restriktiv auszulegen sei. Eine Quotierung der von einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer bereits erworbenen Ansprüche auf Jahresurlaub verstoße daher gegen das Unionsrecht. Im Ausgangsverfahren behält die Klägerin trotz des Teilzeitarbeitsverhältnisses den Urlaubsanspruch aus der Vollzeit mit 29 Tagen.

Die vorliegende Entscheidung gilt automatisch für alle Arbeitnehmer, auch für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes. Ein gesonderter Antrag oder eine Änderung des § 26 TVöD / TV-L ist nach Aussage unserer Tariforganisation dbb beamtenbund und tarifunion nicht erforderlich.

Köln, 07.10.2013
V.i.S.d.P.: Manuela Winkler-Odenthal, Assessorin der komba gewerkschaft nrw, Norbertstraße 3, 50670 Köln

Personalrats-Info 4/2013 "Anspruch auf nicht genommenen Jahresurlaub bei Wechsel in Teilzeittätigkeit" als pdf-Dokument zum Downloaden

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